Schreibnächte
Ich bin keine Nachtschwärmerin. Um 9 gähne ich. Um 10 werde ich müde. Um halb elf unausstehlich. Ich bin eine Frühaufsteherin. Ich schreibe am Morgen. Nachts selten. Nachts nur im Ausnahmefall. Deshalb war für mich klar:
Schreibnächte – das ist sicher nichts für mich!
Schreibnächte beginnen spät, und zwar um 8 Uhr am Abend, und sie enden meistens erst nach 11 Uhr. Abends besuche ich höchstens mal gute Freundinnen. Oder auch ein Konzert. Oder ich geh ins Theater. Aber um diese Zeit etwas produzieren?! Nein, sicher nicht! Was ich aber lange Zeit nicht wusste:
Schreibnächte sind wie ein Theaterbesuch
Das begriff ich in der ersten Schreibnacht, die ich im writers’ studio in Wien miterlebte. Unter dem Motto „Depressiv und fies“ haben wir Schimpfwörter gesammelt und Flüche erfunden. Und beim Vorlesen sehr viel gelacht. Seit dieser Schreibnacht ist mein Wortschatz um Ausdrücke wie „Sacklzement!“ oder poetisch anmutende Beschimpfungen wie “Du liederlicher Lämmergeier!“ bereichert.
Schreibnächte sind vielleicht doch etwas für mich
Die Anfrage von Judith Wolfsberger kam Ende März 2015. „Mag jemand am 1. Mai die Schreibnacht im writersstudio moderieren?“ Marcus Fischer, Werbetexter und schreibbegeistert wie ich, reagierte schnell. „Im Mai! Die richtig Zeit für Love Stories!“ sagte er. Und schon war ich Feuer und Flamme. „Magst du vielleicht mit mir …?“ fragte ich Marcus. So kam es, dass wir beide diese Schreibnacht moderierten:
“Mit Herzklopfen in den Mai!”
Als wir am 1. Mai pünktlich um 8 Uhr abends in der Lounge im writersstudio saßen, klopfte mein Herz dann tatsächlich – beinahe so, als wär’ ich verliebt. Vielleicht bin ich es auch ein wenig – in die Idee der Schreibnächte: Menschen kommen für einen Abend zusammen, um gemeinsam Geschichten zu erfinden. Und Konstellationen, Verwicklungen, Plots. Ganz ohne Druck. Ganz ohne Zwang. Und ohne jede Bewertung. Denn darum geht es in einer Schreibnacht: Dass wir alle einfach Spaß an der Freude haben.
Schreibnächte sind wie ein kurzweiliger Theaterbesuch
Wir waren 14 Personen, die drei Stunden lang Figuren in fantastische, lebensgefährliche oder einfach nur kuriose Liebesabenteuer entsandten. Begleitet von Papageien und mit Pillendöschen im Gepäck wurden die Hauptdarsteller und –darstellerinnen von uns nach Schweden, Spanien und sogar in die Rocky Mountains geschickt, wo wir sie lieben, leiden und – in einem Fall – sogar sterben ließen. Wir aber waren im Schreiben ein Stück lebendiger geworden. Denn:
Schreibnächte sind sehr belebend
Ich bin noch immer kein Nachtlicht. Aber für eine Schreibnacht bleibe ich gerne wieder mal wach. Weil ich auch von der zweiten Schreibnacht meines Lebens ein wenig illuminiert, fast berauscht, mit der Straßenbahn nach Hause gondelte. Weil meine Freude am Schreiben genährt wurde. Und weil ich andere SchreiberInnen getroffen habe, die mir Einblicke in ihre Phantasie-Welten gewährten.
Die Schreibnächte im writersstudio finden jeden ersten Freitag im Monat statt.
Danke an Judith Wolfsberger und Johanna Vedral für die Einladung und Begleitung unserer Schreibnacht. Und danke, lieber Marcus Fischer, für die gemeinsame Vorbereitung. All we need is Love … und die Schreiblust kommt wie von selbst!
Anregungen für diese Schreibnacht fanden wir im Buch 66 Schreibnächte von Katrin Girgensohn und Ramona Jakob, erschienen im Schneider Verlag 2015.